Katja Erdmann-Rajski: Stuttgart, 11. November 2005 bis 8. Januar 2006 Kreisen ums eigene Leben
Schauplatz des rechtzeitig zum 70. Geburtstag Lachenmanns im Stuttgarter Rotebühl-Zentrum uraufgeführten Stücks ist eine quadratische Bühne mit weißem Boden.
Die vier Musikerinnen (Sachiko Kobayashi, Saeko Takayama, Tomoko Yamasaki, Chihiro Saito), die sich in den Ecken über Kreuz gegenüber sitzen, sind in diesen "Ring" gestiegen, um gleichsam über der Szene schwebend live Lachenmanns Streichquartett "Reigen seliger Geister" beizusteuern. Vom Tonband erklingen zwischen einzelnen Abschnitten dieser luftig-geräuschhaften Klanglandschaft vier "Wesendonck-Lieder" von Richard Wagner in einer Orchesterfassung. Außerdem gibt es "stumme" Szenen, in denen man nur das Schnaufen und die Schritte der beiden unten pausenlos eine Stunde lang agierenden Tänzerinnen hört. Im Zentrum der Performance wie des Raums bewegt sich eine erwachsene Frau "mitten im Leben" (Katja Erdmann-Rajski), die sich in den einengenden, aber auch schützenden Stahl-Kubus zurückgezogen hat. Dort sinniert sie über ihre Gegenwart, ruft die Geister ihrer Vergangenheit und blickt besorgt in ihr Alter voraus. Mit ihren Handflächen vermisst sie den Boden, ihren Körper und die Decke, nach der sie sich streckt, oder sie verliert zu schrillen Streicher-Haltetönen buchstäblich den Boden unter den Füßen, hängt beinestrampelnd im Gestänge. Erst gegen Ende, wenn ihr jener Kubus zunehmend zum Gefängnis wird, wagt sie sich nach draußen, wo ein Alter ego (Juliette Villemin) von Anfang an seine Runden dreht und dabei nicht nur tänzerisch, sondern bruchstückhaft auch verbal (in Anlehnung an die Erzählung "Die Farbe der Zeit" von Silvina Ocampo) ihr Leben umkreist.
Strengen Formen gehorcht auch die Beleuchtungsregie (Doris Schopf), die im Verbund mit akustischen Kontrasten und der phantasievollen, ungemein beredten Gestik der Tänzerinnen eine melancholisch aufgeladene Atmosphäre entstehen lässt. Blitzartig wechseln etwa Lichtquadrate am Boden zu jenen Pizzicato-Akkorden ihre Position und suggerieren flüchtige Schachbrettmuster, denen die zweite Tänzerin vergeblich nachjagt. Ein autobiografischer Hintergrund wird deutlich, wenn assoziationsreich und zärtlich teils Unsicherheiten der Pubertät, teils die für Ballettkünstler so heiklen Probleme des Alterns thematisiert werden. Erdmann-Rajski ist mit "Frau im Quadrat" ein spannungsgeladenes Stück gelungen, in dem einem gelegentlich Hören und Sehen in synästhetischer Wahrnehmung vergeht. Mitwirkende: Idee, Gesamtleitung: Katja Erdmann-Rajski |