Cynthia Gonzalez: Hungerpflanzen

Dresden, 22.05.2005

Hungerpflanzen von Cynthia Gonzales

Cynthia Gonzalez (Bolivien) ist Absolventin der Palucca Schule und arbeitet seit 2002 in Dresden als freie Künstlerin. Für die 14. Tanzwoche in Dresden kreierte sie eine Performance über wissenschaftliche Versuche an Pflanzen, die einen Monat später im Projekttheater wieder aufgeführt wurde. Die Geschichte wird von einer als Wissenschaftlerin agierenden Schauspielerin (Suzana Gonzales, anscheinend die Schwester der Choreografin) und fünf Tänzerinnen gespielt, die Topfpflanzen darstellen. Musikalisch wird das Stück von Dittmar Trebeljahr aus der Dresdner Philharmonie begleitet.

Hungerpflanzen von Cynthia Gonzales

Das Thema des Tanztheater-Stücks ist die Forschung an Pflanzen, die in großen Töpfen angezogen, untersucht und behandelt werden. Zunächst ragen nur die Köpfe der Tänzerinnen aus den Kübeln heraus und es erscheint mal ein Arm, mal ein Fuß in synchroner Bewegung. Die Wissenschaftlerin hüpft mit kleinen Schritten herum, piepst und quietscht fröhlich wie ein Küken und wirkt eher kindlich naiv als gewissenlos. Ein weißer Kittel und zahlreiche Glaskolben und Teströhrchen mit farbigen Flüssigkeiten, mit denen sie zwischendurch hantiert, unterstreichen ihre Rolle. Damit verwirft die Choreografin zunächst lobenswert ein Klischee über Wissenschaft, auf die Dauer kann sie sich ihm jedoch nicht entziehen.

Hungerpflanzen von Cynthia Gonzales

Der Titel des Stücks kommt daher, dass die Pflanzen nach einer Weile anfangen, vor Hunger an den Rändern ihrer Töpfe zu knabbern. Sie müssen gefüttert werden. Die Wissenschaftlerin kehrt immer wieder zu ihrer Bench zurück, um Nährlösungen oder Heilmittel zusammenzumischen, die sie den Pflanzen in den Mund tropft oder auf ihre Körper spritzt. Diese erholen sich tatsächlich und gedeihen, so dass die Forscherin es sich zunächst unter ihrem Labortisch gemütlich machen kann.

Die Pflanzen wachsen und wuchern jedoch wild weiter, bis sie aus ihren Töpfen heraus quellen. Die Forscherin muss einschreiten und ihre Geschöpfe auf den eigenen Schultern zurück tragen. Es hilft jedoch nur für eine kurze Zeit, die Pflanzen befreien sich bald wieder und beherrschen schließlich die Bühne. Die Sprosse nehmen groteske Formen an und die Bemühungen der Wissenschaftlerin, sie in Reih und Glied zu bringen, werden immer vergeblicher. Das Ringen um Ordnung steigert sich zu einem chaotischen Überlebenskamp, Hungerpflanzen von Cynthia Gonzales in dem zwischendurch auch die Wissenschaftlerin von einer Versuchspflanze gejagt wird. In der Schlussszene wird die Spannung nochmals gesteigert: Alle Pflanzen bewegen sich synchron, nur eine erstarrt in verdächtiger Pose. Die Wissenschaftlerin nähert sich ihr in vorsichtigen Kreisen. Jeder weiß, was jetzt kommen muss, und so kommt es auch: In der letzten Sekunde des Stücks greift die Pflanze ihre Schöpferin an. Licht aus, Ende!

Trotz der Naivität der Geschichte lohnt sich die Aufführung. Insbesondere die wilden Körperbilder über den Kübeln und die bizarren Figuren auf dem Boden sind sehenswert, die Tänzerinnen (insbesondere Nicole Meier) vernachlässigen auch die Mimik nicht und die von Dittmar Trebeljahr vermutlich größtenteils improvisierte Musik ist sehr lebendig. Wer leicht verdauliches und unterhaltsames Tanztheater mag, kommt auf seine Kosten.

Choreografie: Cynthia Gonzalez
Wissenschaftlerin: Suzana Gonzalez
Topfpflanzen: Cynthia Gonzalez, Teresa Hackel, Nicole Meier, Petra Steinert, Dagmar Stollberg
Musik: Dittmar Trebeljahr

Hungerpflanzen von Cynthia Gonzales

Text und Fotos: Petr Karlovsky